Letzte Woche waren wir bei einem Kunden mit einer Premiummarke, dem wir in einer ausführlichen Online-Reputation-Studie nachgewiesen haben, dass es rund 2.000 negative Kommentare seiner Kunden in einem bekannten Social Network zum Unternehmen und seinen Dienstleistungen gibt.
Neue Interessenten werden im Prospekt des Unternehmens vom Geschäftsführer der Unternehmensmarke mit folgendem Satz begrüßt „Willkommen in der absoluten Premium-Klasse“.
Was ist eigentlich eine Premiummarke?
Eine Premiummarke sollte sich durch besondere Qualität vom Wettbewerb abheben und ein herausragend positives Image haben. Sie präsentiert sich edel und hochwertig, ganz egal, ob klassisch oder modern. Der Markenkern einer Premiummarke ist es, in allen Belangen besser zu sein, als die Marken des Wettbewerbs. Eben auch im Image und in der Markenwahrnehmung.
Ein Kunde, der sich für die meist teurere Premiummarke entscheidet, erwartet von Produkten und Dienstleistungen eine höhere Qualität. Die Erwartungshaltung an die Produkte, Dienstleistungen, Mitarbeiter und Kontakte zum Unternehmen ist hoch. Nur dafür ist der Kunde bereit, einen höheren Preis zu zahlen.
Stellt der Kunde fest, dass die Premiumleistung, die ihm versprochen wurde, nicht stattfindet, ist die Enttäuschung groß und findet in Zeiten von Social Media Niederschlag im Internet sowie als aktive Nichtempfehlung im Bekannten- und Freundeskreis.
Wenn sich die Selbsteinstufung Premium als Worthülse erweist, fühlt sich der Kunde, der für Premium einen Aufpreis bezahlt hat, betrogen. Er hat schließlich mehr für das Produkt und den Service bezahlt, als bei Marken aus dem Segment Value-for-Money oder Budget.
Premiummarke und Customer Journey
Eine Premiummarke ist in der Customer Journey des Kunden bereits in der Pre-Awareness-Phase mit Öffentlichkeitsarbeit, Online-Kommunikation und Werbung sehr sichtbar und hebt sich durch hochwertige Inhalte von ihren Wettbewerbern ab. Dadurch ist sie auch bei erster Awareness eine der Marken, an die man zuerst denkt.
In der Consideration-Phase kommt es auf die gute Reputation der Marke an. Findet der Interessent hier bereits bei oberflächlicher Suche nach dem Produkt oder der Dienstleistung negative Beiträge zu der Marke im Internet, kann die Premium-Positionierung erste Risse bekommen. Er wird sich dann genauer informieren und diese Marke aus seiner Vorauswahl streichen. Hier hat oftmals noch kein persönlicher Kontakt zum Unternehmen oder den Absatzmittlern bestanden.
In der Preference-Phase ist der Kaufentschluß gefasst, aber noch kein Anbieter ausgewählt. Auch hier ist die Premiummarke im Vorteil, denn ihr Bekanntheitsgrad ist üblicherweise so hoch, dass sie in eine erste Auswahl einbezogen wird. Hier findet dann auch der persönliche Kontakt zum Absatzmittler oder zum Unternehmen statt. Aussagen im Beratungsgespräch werden mit den positiven Vorurteilen zur Marke abgeglichen. Je günstiger der Preis des Produktes, desto weniger Aufwand wird der Kunde in seine persönlichen Recherchen investieren. Um Umkehrschluss bedeutet das, dass ein Kunde, der für das Produkt für seine Verhältnisse viel investieren muss, genauer und sorgfältiger recherchieren wird.
Vor der Kaufentscheidung findet ein zweiter Informationsgewinnungsprozess statt. Während die Suchanfragen im Internet und die Gespräche mit Freunden, Verwandten, Kollegen und Bekannten zunächst nur das Produkt in den Vordergrund stellten, wird nun der vorausgewählte Anbieter genauer überprüft. So gibt der mögliche Kunde bei Google oder Bing dann Keyword-Kombinationen ein, wie zum Beispiel „Marke+Erfahrungen“. Spätestens jetzt findet er negative Kommentare, denen er grundsätzlich eher glaubt, als den positiven Bewertungen.
Ist die Anzahl negativer Kommentare und Bewertungen groß, bricht der Kunde an diesem Punkt sein Kaufvorhaben für diese Marke ab und recherchiert Alternativen.
Hat er bereits gekauft, wird der Kunde den gesamten Kaufprozess und die damit verbundenen Leistunbgen kritischer bewerten. Er ist sozusagen alarmiert und passt besonders auf, das alles so verläuft, wie es zur Zufriedenheit des Kunden sein sollte.
Es kommt also für eine Premiummarke darauf an, auch nach dem Kauf für den Kunden da zu sein. Die ersten Erfahrungen mit dem Anbieter und seinen Produkten und Dienstleistungen müssen den Charkter der Premiummarke widerspiegeln. Die Erwartungsahaltung ist hoch und darf nicht enttäuscht werden.
In der Loyalty-Phase der Customer Journey zeigt sich, ob die Premiummarke ihr Versprechen eingelöst hat. Ein zufriedener Kunde wird die Marke weiterempfehlen und von seinen positiven Erlebnissen berichten. Dies tut er ohne großen Enthusiasmus, denn die Erfüllung seiner Anforderungen wird als der Normalzustand wahrgenommen. Er wird deshalb nicht ins Internet gehen und stundenlang positive Beiträge schreiben.
Wurde die Erwartungshaltung dagegen enttäuscht, wird dieser Kunde viel Zeit aufwenden, um sich zu rächen. Er wird jedem erzählen, dass dieses Produkt oder diese Dienstleistung das Geld nicht wert war, dass er sich betrogen fühlt und niemandem empfehlen kann, auf die Versprechungen des Unternehmens reinzufallen. Das geschieht online und offline. Mit etwas Geschick kann dieser enttäuschte Kunde in kurzer Zeit tausende Menschen erreichen und jede Reaktion auf seine Beiträge stärkt sein Sendungsbewusstsein weiter. Bei uznserem Premium-Kunden haben wir nur von einem enttäuschten Kunden über 500 negative Kommentare gezählt.
Die Reputationskrise nicht ernst genommen
Wer mit seiner Premiummarke innerhalb weniger Monate 2.000 negative Bewertungen und Kommentare durch seine Kunden gesammelt hat, hat offensichtlich über längere Zeit sein Premium-Versprechen nicht erfüllt. Er gefährdet damit die Premium-Positionierung seiner Marke. Wenn er nicht sofort und entschieden gegensteuert, zerstört er das Image der Marke nachhaltig und gefährdet die Marke in ihrer Existenz.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kommentare immer wieder einzelne Leistungen des Anbieters, wie zum Beispiel dessen Erreichbarkeit, Gewährleistung und Serviceorientierung kritisieren. Es sind auch über viele Monate keine ausreichenden Anstrengungen unternommen worden, die offensichtlich vorhandenen Mißstände zu beseitigen.
Dazu muss man wissen, dass wir jede Woche über den Zeitraum eines Jahres sämtliche Kommentare gelesen und in verschieden aufbereiteter Form weitergegeben haben. Teils mit konkreten Handlungsvorschlägen und immer wieder mit dem Hinweis darauf, wie die Kunden doch noch zufriedengestellt werden könnten.
Das Unternehmen hat alle Anstrengungen in die Steigerung der Verkäufe seiner insgesamt drei verschieden positionierten Marken gesteckt. Dabei wurde übersehen, dass bestimmte Abteilungen dann auch mit dem Wachstum und der dadurch verursachten Mehrbelastung mithalten müssen. Der Fachkräftemangel in der Branche tat sein übriges dazu.
Früher war es in dem Unternehmen so, dass es eine Firewall zwischen den Marken gab. Die Außenauftritte der Marken waren klar getrennt. Jede Marke hatte eigene Agenturen, so unterschieden sich die Auftritte. Heute ist alles vermischt. Beim Kunden fahren Fahrzeuge mit Konzernbeschriftung und darunter allen drei Marken vor. Es ist sogar verboten, dass Monteure zu der jeweilig beauftragten Marke passende Overalls und Jacken tragen.
Die Premiummarke wird dadurch geschwächt. Unter den Kunden spricht sich herum, dass die Produkte in der gleichen Fabrik gefertigt werden und eigentlich alles gleich sei. Der Unterschied könnte da noch der Service sein. Aber auch hier keine Premiumbetreuung für die mehr zahlenden Premiumkunden.
In unserem Beratungsfall mussten wir den Eindruck gewinnen, dass der Geschäftsführer des Unternehmens, der ausschließlich für Marketing und Vertrieb verantwortlich zeichnet, die aktuelle Herausforderung und Bedrohung verdrängt. Und dass trotz des genauen Nachweises in der Studie, das dem Unternehmen bereits jetzt siebenstellige Umsätze aufgrund des negativen Images verloren gegangen sind.
Statt sich mit den zuständigen Abteilungen und dem Reputation-Management-Berater zusammenzusetzen und das Problem nachhaltig und zügig zu lösen, wird die Studie wohl in der Schublade verschwinden. Die gemachten, leicht umzusetzenden Vorschläge zur Behebung der Probleme, die die Agentur bereits vor einem Jahr in einer ersten Studie zur Situation vorgestellt hatte, wurden nicht oder nur halbherzig umgesetzt.
Nun, ein Jahr später, eskaliert die Situation mit den unzufriedenen Kunden.
Dabei hatte das Unternehmen ein Jahr lang jede Woche einen professionellen Status-Report erhalten, der nicht nur die häufigsten Probleme aufzeigte, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen und Kontaktmöglichkeiten zu den beschwerdeführenden Kunden beinhaltete. Es wurde sogar in den Reports aufgezeigt, wie die wiederholte Nichtreaktion des Unternehmens oder die immer wieder auftretenden erheblichen Verzögerungen bei der Kontaktaufnahme und Problemlösung die Kunden zunehmend kritischer und teils auch verzweifelter werden liessen.
Parallel hat das Reputation-Management-Team der Agentur zahlreiche Foren-Beiträge entfernen und negative Bewertungen auf Bewertungsportalen löschen lassen.
Management kümmert sich nicht um die Reputation
Das Management hat sich nicht um das Reputation Management gekümmert. Nach dem Team-Motto (Toll, ein anderer machts) fühlt man sich nicht zuständig. Ganz im Gegenteil, bei der Vorstellung der Studie mussten wir uns anhören, dass es für den Kundenservice eine Abteilung gäbe, die sich täglich um die Beschwerden kümmere. Ach was! Dort wären die Beschwerden bekannt und würden konsequent abgearbeitet. Man selbst hätte andere Aufgaben und im Rahmen einer vernünftigen Arbeits-aufteilung wolle man sich auch nicht mit den Kunden und ihren Problemen beschäftigen.
Stattdessen werde man nun den Vertrieb weiter aufbauen und so die Verkaufszahlen steigern. Das kann natürlich eine kurze Zeit funktionieren. Verdopple ich die Verkäufer, kompensiere ich für ein paar Monate die Verluste. Nachhaltig ist das nicht – der Preis dafür ist der Absturz der Marke.
Zusammenarbeit beendet
Ab sofort wird das Unternehmen ohne uns weitermachen. Für uns dauert es eine Weile, bis alle Verknüpfungen aufgelöst sind. So konnten wir in den letzten Tagen schon erste Auswirkungen sehen. Kunden riefen per Message ins Unternehmen „Hallo, ist da wer?“ oder „Kann bitte mal jemand antworten?“. Das Unternehmen schweigt und arbeitet umso mehr daran, den Vertrieb auszubauen…